Rezension: Hauterkrankungen als Botschaften der Seele (Anne Maguire)

1-A-Ratgeber für Betroffene und Pflichtlektüre für…

… jede(n) Hautarzt/Hautärztin und PsychosomatikerIn!

(So sehen intensiv durchgearbeitete Bücher nach einer Rezension bei mir aus…! Die Abbildung bezieht sich auf eine ältere Auflage aus dem Walter-Verlag, Olten/Freiburg 1991)

Die Neuauflage des bereits Anfang der 1990er Jahre erstmals erschienenen Buches ist m. E. ein unterschätzter Klassiker, ein Standardwerk – sowohl für Betroffene wie für sogen. „Heilungsprofis“, und uneingeschränkt zu empfehlen! Das schreibe ich sowohl als Selbst-Betroffener wie auch im „heilenden Geschäft“ Tätiger (Psychologische Beratung/Krisenintervention). Warum?

Zuallererst möchte ich eine persönliche Erfahrung schildern, die als Fallvignette auch gut in dieses Buch gepasst hätte: Ebenfalls Anfang der 1990er Jahre bekam ich eine die Fläche der Oberschenkel bedeckenden, offen, blutigen Ausschlag sowie ein Hautphänomen am Rücken, dass von verschiedenen Hautätzten mal als "Neurodermitis“, als "Schuppenflechte“ oder auch als "Urtikaria“ diagnostiziert wurde. Nach Wochen, ja Monaten letztlich erfolgloser Behandlung mit Kortisonpräparaten (unter deren Einfluss sich die Erscheinung immer mal wieder für 3 – 4 Tage unterdrücken ließ, um dann erneut wieder aufzuflammen) hatte ich die Chance, das Phänomen auf eine ganz andere, unerwartete Art und Weise „loszuwerden“: Damals noch im Studium traf ich eine Kommilitonin, mit der mich eine enge aber (damals noch) platonische Freundschaft verband. Irgendwann war diese Beziehung, in der ich das allererste Mal in meinem Leben das Gefühl hatte, so angenommen zu werden, wie ich bin, so tragfähig, dass es – ganz spontan und unvorbereitet – zu einer Art „Sitzung“ kam – eigentlich war es eher ein sehr, sehr gutes Gespräch. Im Laufe dieses Gespräch durfte ein lang unterdrücktes Trauma und viele unterdrückte Gefühle mal an die Oberfläche kommen:

  • die Wut auf einen jähzornigen Vater,
  • die Wut auf eine lieblose Mutter, die mir nach einem zunächst gemeinsam durchgeführten, nachher jedoch gescheiterten "Ausbruchsversuch aus dem elterlichen Irrenhaus“ in den Rücken gefallen war, und mir die "Schuld“ zuschob – psychosomatisch als "Hexenschuss“ immer wieder auftretend und schulmdezinisch unbehandelbar,
  • der Schmerz über die lieblose Atmosphäre in einem Elternhaus, dessen Alltag von zerfetzenden Ehestreits und allen Spielarten der "schwarzen Pädagogik“ geprägt war, und
  • schließlich der Angst, die sich aus der ganz realen Verlassenheitsangst des kleinen Jungens, der ich damals war gespeist hat.

Interessanterweise verschwand als gar nicht geplanter aber durchaus erwünschter "Nebeneffekt“ diese komplexe Hauterscheinung Tage später komplett, und heilte schließlich innert 3 Wochen narbenfrei ab. Die damals (noch) zuständige, schulmedizinisch geprägte Hautärztin weigerte sich jedoch, diesen Zusammenhang zur Kenntnis zu nehmen, und murmelte seinerzeit etwas von "Naja, so Spontanheilungen kommen schon mal vor…!“, nachdem sie mir noch Wochen vorher prophezeit hatte, dass ich "damit nun wohl werde mein Leben lang leben müssen!“

Und das genau ist das brillante an diesem Buch:

  • Auf ca. 310 Seiten (inkl. eines sehr praktischen Stichwortverzeichnisses) zeigt Anne Maguire anhand eine logischen Gliederung verschiedene Hauterkrankungen (Ekzem/Neurodermitis, Urtikaria, Psoriasis, Lichen ruber planus, Alopecia aerata/totalis, u. a.) auf, und beschreibt zunächst klassisch differenzialdiagnostisch deren spezielle Symptome;
  • Dann jedoch – und das hebt das Buch schon etwa über ein medizinisches Fachbuch weit hinaus – schlägt sie nach einem kurzen Exkurs über die Haut in Mythologie, Religion und Märchen die Brücke zu den Jung’schen Archetypen, insbesondere dem Feuerarchetyp (Symbol das gut zum Entzündungeschehen passt) und dem Schlangenarchetyp als Symbol der Wandlung;
  • In vielen detaillierten Fallvignetten gelingt schließlich der endgültige Brückenschlag in die Psychodynamik des Symptoms ("Der Pferdejunge“, "Die Frau mit dem Vaterkomplex“, etc.), in denen sich viele LeserInnen schnell wiederfinden können, und lehrreiche Schlüsse auf die Er-Lösung von ihrem eigenen Leiden ziehen können!

Positiv: Immer dann, wenn medizinische Fachbegriffe benutzt werden, übersetzt die Autorin diese auch in allgemeinverständliches Deutsch (sowohl im Text als auch in einem extra vorgesehenen Glossar)!

Noch positiver: Im Abschnitt über die Urtikaria beschreibt sie selbst ein – vorübergehendes – Betroffensein von diesem Symptom – und auch die Heilung durch Einsicht in die Ursache und die notwendigen, lebensverändernden Neuentscheidungen!

Und wie ein roter Faden ziehen sich durch dieses Buch:

  • Hauterkrankungen (und andere) als Ergebnis des Ausdrucks unterdrückter vitaler Gefühle, und
  • als Folge ungelöster, oft verdrängter Beziehungskonflikte, deren Ursprung oft in der Herkunftsfamilie liegen

Und genau darum geht es eben: Unterbleibt dieser psychosomatische Blick – neben der schulmedizisch Linderung verschaffenden Behandlung – erhält man oft genau dieses Ping-Pong-"Spiel“ von Wiederaufflammen und vorübergehender "Heilung“ – Würden mehr Hautärzte die psychologische Befindlichkeit gerade zum bzw. vor dem "Ausbruch“ der Krankheit berücksichtigen, mehr PatientInnen könnten von dieser ganzheitlicheren Sichtweise profitieren!

Daher mein Fazit, dass der Überschrift entspricht: 1-A-Ratgeber für Betroffene und Pflichtlektüre für jede(n) Hautarzt/Hautärztin und PsychosomatikerIn!

Produktinformationen (aktuellste Auflage

Taschenbuch: 320 Seiten

Verlag: Patmos-Verlag; Auflage: 1 (15. März 2009)

Sprache: Deutsch

ISBN-10: 9783491401501

ISBN-13: 978-3491401501

ASIN: 349140150X

Format: 14,4 x 3 x 21,3 cm

Preis: 19,90 €

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Rezension: Depression abzugeben: Erfahrungen aus der Klapse (Uwe Hauck)

Pflichtlektüre für Klinikpersonal/Therapeuten…

auch in Ausbildung/Studium – treffende Innenschau aus deutschem „Klapsen-Alltag“

„Beipackzettel“ (Verbraucherinformation) zur nachfolgenden Rezension:

Achtung: Die nachfolgende Rezension kann sogenannte "Trigger“ (Auslöser einer Erinnerung an schmerzhafte Erfahrungen und Gefühle) enthalten! Sie ist also mit Bedacht zu lesen, und ist außerdem geeignet, das Vertrauen in das in Deutschland etablierte System der ambulanten und stationären Psychotherapie zu erschüttern. Bitte nehmen Sie vor individuellen Entscheidungen wie etwa eine Medikation zu verändern oder Therapien abzubrechen unbedingt Kontakt zu Ihren behandelnden Therapeuten auf!

Uwe Hauck legt zum Jahresanfang 2017 ein beeindruckend offenes, ehrliches und impulsgebendes Buch vor, das als Pflichtlektüre allen in der klinischen Psychiatrie, Neurologie und ambulanten Psychotherapie Tätigen „verordnet“ werden sollte – bei 10 € Investition für das Taschenbuch bzw. dem reduzierten Preis als E-Book sicher keine finanzielle Überforderung – ggf. sogar steuerlich absetzbar als richtiggehendes "Fachbuch“ zur persönlichen Weiterbildung und Qualitätssicherung…

Form, Text, Stil, Verständlichkeit:

Eine einheitliche Gliederung – Zum Kapitelstart immer einen seiner #ausderklapse-Twitter-Botschaften vorweg, manchmal ernst, manchmal auch mit kreativ-wortschöpfendem Galgenhumor („@bicyclist: Therapös, Adjektiv: Der Zustand, den man nach einem Tag mit zu vielen aufeinanderfolgenden Therapien erreicht #ausderklapse“, S. 261: Verweis auf Pretty Woman-Zitat "Wut auf den Vater für 10.000 $…“) – ganz viel mündlicher Rede, zu der auch das Mitteilen der innersten Gedanken und Gefühlen des Autors gehört, der fast vollständige Verzicht auf übliche Fachbegriffe und „Ärzte-Sprech“ sowie ein guter, konzentrierter Satzbau ohne Nebensatz-Orgien sorgen dafür, dass es gerade medizinischen Laien, Betroffenen und Angehörigen leicht fallen wird, sich die auf den ersten Blick umfangreichen gut 400 Seiten nicht nur locker und flüssig zu Gemüte zu führen ("FLESCH-Index“ ca. 64), sondern einen echten Gewinn daraus zu ziehen!

Zum Inhalt:

Der Autor schildert sehr ehrlich seine Erfahrungen mit einem (gottlob) gescheiterten Suizidversuch im Anschluss an ein komplett gescheitertes und vom Chef beispielhaft unprofessionell geführtes „Führungsgespräch“ am Arbeitsplatz als Wendepunkt einer länger andauernden Depression, die er – wie viele Mitbetroffene auch – in Kindertagen erworben, aus Selbstschutz lange unterdrückt und versteckt hatte – kein Wunder in einer Welt, die den Siegern (oft egal mit welch zweifelhaften Mitteln der Sieg oder Erfolg errungen wurde) persönlich wie medial zujubelt, und wo die eher sensiblen, einfühlsamen allzuoft in Gefahr geraten, unter die Räder zu kommen.

Er führt uns durch den Alltag in einer psychiatrischen Klinik – von der (teil-)geschlossenen über die offene Station und Psychosomatik bis in eine Tagesklinik mit all ihren teils bizarren Regularien und Strukturen, lässt uns teilhaben an manchmal langweiligen, manchmal belebenden Tagesabläufen, Begegnungen mit Angehörigen und Mitpatienten. Und tut das in einer Weise, die Betroffenen einerseits die Vorurteile vor der "Klapse“ nehmen kann, andererseits aber auch geeignet sind, als Ratgeber durch diese von außen eher undurchsichtigen Abläufe zu fungieren. Dabei kommt auch eine gehörige Portion "fundiertes Psychiatrie-Bashing“ nicht zu kurz.

Zu Ursachen:

Für mich teils verwunderlich, teils wegen eigener Erfahrungen als Betroffenem wie als "Profi“ auch wieder nicht: Bei aller Anstrengung in Sachen Fallgeschichten-Aufarbeitung (Anamnese) lese ich erstaunt von eher oberflächlichen therapeutischen Bemühungen. Aufmerksame LeserInnen finden schon auf S. 33 einen eindeutigen Bezug zur Ursache des Schlamassels (Beziehung zur Mutter), auf S. 61 unterdrückte Gefühle in Bezug auf den Vater, und schließlich ganz konkret den Hinweis auf das „groß und alt gewordene, aber eigentlich immer noch verstörte, kleine Kind, das um Hilfe ruft (S. 84). Bei allem medizinischen Fortschritt scheint es mir so, als dass viele der "Profis“ aus dem Klinikbetrieb immer noch an den Kardinalsursachen für Angststörungen, Panikattacken und sich daraus oft erst entwickelnden Depressionen vorbeischauen: Dem Grundgefühl, von seinen ersten Bezugspersonen nicht bedingungslos angenommen, geliebt, geschützt, bestätigt – kurz: geliebt worden zu sein (S. 388). Und da können dann eben Muster gebahnt werden, die sich in anderen Beziehungsfeldern fortsetzen und – wenn nicht durch positive Gegenerfahrungen des bedingungslos (!) Angenommen-Werdens – verstärken (Hier: Schule, Berufsleben).

"Der Depressive wendet seine Aggression nicht nach außen; um dort Gewünschtes zu ergreifen oder Schädliches zurückzuweisen. Er wendet seine Aggression gegen sich selbst; um Impulse zu entkräften, vor denen (bzw. vor dessen Folgen, nämlich ausgestoßen, zu werden, abgelehnt zu werden) er sich fürchtet. Die nach innen gerichtete Aggression drückt eigene Impulse nieder. Daher das Wort Depression.“ (*Depner)

Warum an diesem Kernthema allzuoft "vorbeigesegelt“ wird, ob das Nachlässigkeit oder Absicht ist – ich weiß es nicht. Vielleicht ist es so wie Alice Miller, Arno Gruen u. a. vermuten, dass die in der Psychologie und Psychiatrie Tätigen selbst oft mit Historien belastet sind, die – bei offenem Ansprechen derartiger Konflikte bei ihren Patienten – zu einer spontanen Erhöhung des Krankenstandes in dieser Branche führen könnten…

Die Essenz:

Vielleicht die kostbare Essenz dieses Büchleins stellen m. E. die "Regeln der Durchgeknallten“ (S. 183), sowie die Entscheidung dar, Fehlurteile und Fehlbewertungen anderer Menschen nicht (mehr) so wichtig zu nehmen (S. 371), (was der seinerzeit, zum Zeitpunkt des Entstehens einer Depression nicht vorhandene kritische Verstand des Kindes gebunden in elterlicher Abhängigkeit nicht tun konnte – ein Plädoyer für eine Art "Seelisches Nachsitzen“… Ernüchternd ist die von vielen Psychiatrieerfahrenen geteilte Erkenntnis, "Die besten Therapeuten sind oft die Mitpatienten, die kennen das von innen – aber die bekommen kein Geld dafür…“ (S. 277).

Hauck beschreibt als Wende- wie als Knackpunkt das Setzen neuer Prioritäten (S. 379: "Ich zuerst…!“), was auf keinen Fall mit Egozentrik verwechselt werden sollte, sondern einfach nur dem Prinzip gesunder Selbstbestimmung und Abgrenzung bei respektvoller Wahrung der Grenzen anderer (Autonomie) entspricht. Weiter könnten als wirklich taugliche Ratschläge anstelle der oft nur gut gemeinten ("Reiß Dich doch mal zusammen!“, "Wird schon wieder!“, etc.) dienen:

  • S. 382: Sich nicht (mehr) kaputtmachen lassen, eigene Werte leben – auch wenn das auf Ablehnung und Kopfschütteln stößt, weil man weiß, dass man trotzdem okay ist;
  • S. 387 oben: Sich “toxische“ Menschen vom Hals halten – auch wenn das Familienmitglieder oder scheinbare “Freunde“ sind…;
  • S. 416: Zwei Weisheiten: Sich ändern, auch wenn das manchem nicht passt, und ganz genau schauen, von wem man Hilfe annimmt, um nicht in eine Verschlimmbesserung zu geraten;

Die Kritik:

Meine Kritik an dem Inhalt des Buches richtet sich weniger an den Autor, denn an die Aussagen der „Profis“, denen der Autor in Therapie und Tagesklinik begegnet, da wäre zum Beispiel:

  • S. 121: Der Schuldfrage – Irrtum "Solange Du nach Schuldigen suchst, wirst Du nicht weiterkommen!“ – M. E. ist es für die Befreiung aus einer Depression geradezu unverzichtbar, sich aus falschen Schuldgefühlen zu befreien, um sich dann in einem zweiten Schritt die (erwachsene) Selbstverantwortung zurückholen zu können, seine Macht, seine Kraft und seine Handlungsspielräume wiederzuentdecken;
  • S. 249 Unsinnige Therapiepläne (Patienten beschäftigen): Warum bekommen Zuwendung, Korrekturen alter Glaubensmuster und begrenzenden, meist gewaltvoll anerzogene Überzeugungen nicht mehr Raum im Klinikalltag? Moderne Ansätze wie Fremd-/Selbstbeelterung (aus der Schematherapie), die Arbeit mit dem inneren Kind bzw. Kindern, EFT, EMDR, Selbsthilfe: Fehlanzeige!
  • S. 269: Fehldiagnose bzw. unzureichende Analyse "Internetsüchtig“: Immer wieder erfährt man von derartigen "Kunstfehlern“, die gerade da etwas zerstören, was oft kreative Kraftquelle (Ressource) sein könnte;
  • S. 285: Unsensible Arztsprache, eher Objekt ("Die Depression von Bett 12!“) als echte Subjekt-Subjekt-Beziehungen: Therapie ist Vollkontakt-Zusammenarbeit auf der Basis einer vertrauensvollen Beziehung – der Autor schildert an mehreren Stellen, wie auch in der Patient-Therapeuten-Beziehung Masken als „Notlösung“ quasi herhalten müssen;
  • S. 291: Widerspruch: Nein, die Therapeuten haben (oft) nicht mehr drauf, und folgen einer Art "unsichtbar weisem Skript“ – und wenn dies so wäre, ich würde es in der Rolle eines betroffenen, mündigen Patienten als respektlos und manipulativ empfinden;
  • S. 343: Richtiggehend therapieschädlich empfinde ich so Aussagen wie "Sie werden Ihre Ängste, Panikattacken und Depressionen niemals wirklich loswerden, das ist chronisch, damit müssen Sie leben!“, denn diese erfüllen nicht nur den Charakter einer sich-selbst-erfüllenden-Prophezeiung ("Ja, wenn der Her Doktor das schon sagt, dann wird das wohl so sein…!“), sondern können darüberhinaus eine aufkeimende Glut der Hoffnung auf vollständige Heilung schnell wieder zertreten.

Fazit, Kaufempfehlung

Ich wünsche dem Autor, dass es ihm gelingen möge, nach dem gelungenen Schreiben dieses Buches (vielleicht auch ein wichtiger Teil der Therapie) weiterhin zu seiner Wahrheit stehen zu können. Dass er mehr und mehr auf Masken verzichten kann, und er seinen auf S. 379 geschilderten Erkenntnissen ("…ich zuerst, dann die Menschen, denen ich wichtig bin, und dann diejenigen, die nur den Wirtschaftsfaktor in mir sehen, die Humanressource…“) in bester Kirschnerscher* Manier folgen wird – auch "wenn ich damit anecken werde!“ Weil vielleicht eine wichtige Erkenntnis einer Depression sein kann, dass es allemal besser – sprich: gesünder – ist, sich selbst wieder zu trauen, das Unikat zu sein, als das man dereinst geboren wurde, als das durch Erziehung, Schule & Co. rundgeschliffene Massenobjekt – vollkompatibel für eine Konsumgesellschaft, die immer deutlicher zeigt, dass menschliche Wärme, echte Zugehörigkeit, Solidarität und Mitgefühl (Empathie) nicht durch noch so schöne Konsumverheißungen oder andere Ersatzdrogen zu zusetzen ist.

Für den Psychiatriebetrieb stellt das Buch m. E. eine schallende Ohrfeige dar. Wenn Patienten (nicht nur hier) durch die Bank darüber berichten, dass nicht das "autogene Schweißen in der Gruppe“ oder Körbeflechten, unterbrochen von 1 x die Woche 50 Min. "eigentlicher Therapie“ sondern eher die Gespräche mit einfühlsamen Mitpatienten oft die entscheidenden Anstöße für wirklichen Therapieerfolg gebracht haben, dann sollten sich die „Profis“ vielleicht einmal überlegen, ob bei allem neurologischen, hirnorganischen, medizinischem, psychologischem und pharmakologischen Wissen genau das auf der Strecke geblieben ist, was wirklich heilt: Das wirklich zugewandte Gespräch, die heilende Beziehung statt Medikation a la Topfschlagen (Antidepressiva), 5-Minuten-Visiten oder 1 x die Woche 50 Min. "Therapie“, eine haltende Umarmung statt Methodenwissen und sogen. Psychoedukation, das Miteinander-Aushalten und Durchleben von schwer zu ertragenden Gefühlen wie seelischem Schmerz, Trauer, Wut, Angst, etc.! Die Rückfallquoten und die Anzahl derer, die nach "erfolgreicher Therapie“ – sprich: Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit – dennoch weiterhin im Stillen leiden sprechen eine zu deutliche Sprache! In diesem Sinne plädiere ich für eine radikale Umstrukturierung der Budgets gerade im Bereich Psychotherapie/Psychiatrie – wie der Autor es auf den S. 144 und 311 ebenso anmahnt: „Mehr Therapie statt BWL!“

Von mir eine hundertprozentig überzeugte Kaufempfehlung!

PS: "Du konntest nichts dafür, die anderen sind (waren) die Schweine!“
(Der selbst depressive und leider schon durch Suizid verstorbene Robin Williams in der Rolle als Therapeut Sean Maguire zu Matt Damon in der Rolle des Will Hunting im Film Good Will Hunting)

Literaturverweise:

  • Dr. Michael Depner: "Kontakt“ („Kein Kind kommt neurotisch auf die Welt…!“)
  • Eugen Drewermann: (Vortrag auf YOUTUBE zum Thema Depression“ (Die unendliche Herzensweite und Empathie der Depressiven als Überlebensmuster, denen es lediglich an einer Art selbstverständlichen Daseinsberechtigung zum Sein zu fehlen scheint und denen man die Fähigkeit zum „Bellen“ und „Fauchen“ – einer ganz normalen Revierverteidigung ihres eigenen Raumes aberzogen hat…)
  • Peter Schellenbaum: "Die Wunde der Ungeliebten“ sowie "Das Ende der Selbstzerstörung“
  • Arno Gruen: "Der Verrat am Selbst“ (S. 34: "Wir haben den Mut, in einer Welt zu leben, in der die Liebe durch eine Lüge provoziert wird, die aus dem Bedürfnis entsteht, unsere Leiden (ausgerechnet) von denen mildern zu lassen, die uns zum Leiden brachten.“)
  • Ero Langlotz: "Kapitän auf dem eigenen Boot, den eigenen Raum in Besitz nehmen und verteidigen!“
  • Alice Miller: "Das Drama des begabten Kindes“, "Du sollst nicht merken!“, "Depression als Selbstbetrug“ u. a.
  • Neue Ansätze: Kahn/EFT/ROMPC humanistische Psychologie
  • Psychiatriekritik (Kernberg und andere, "Topfschlagen“ mit Antidepressiva)
  • "Aufrecht-Seiten“ (Schilderung eines von der eigenen Mutter sexuell gewalttätig misshandelten Autors, online)
  • Josef Kirschner: "Die Kunst ein Egoist zu sein“
  • u. a.

Produktinformationen (aktuellste Auflage

Taschenbuch: 432 Seiten

Verlag: Lübbe; Auflage: 3. Aufl. 2017 (13. Januar 2017)

Sprache: Deutsch

ISBN-10: 9783404609222

ISBN-13: 978-3404609222

ASIN: 3404609220

Format: 14,4 x 3 x 21,3 cm

Vom Hersteller empfohlenes Alter: Ab 16 Jahren

Preis: 10,00 €

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Rezension: Das Innere-Kinder-Retten (Gabriele Kahn)

Endlich, endlich…

…eine sanfte Alternative zum verbreiteten, einfallslosen "Da musst Du noch mal durch!“ üblicher Psychotherapie!

Nahezu alle Therapieansätze (und gerade auch jene, die von gesetzlichen Krankenkassen bezahlt werden) – von der immer noch freudianisch geprägten Psychoanalyse über Ansätze wie Focusing bis zu Populär-Psychologien wie Robert Betz gehen davon aus, es sei unabdingbar nötig ja unverzichtbar, dass sich Traumatisierte als Teil ihrer Heilung erneut in und durch das extrem belastende Gefühlschaos hindurchbegeben müssten, dass in Folge einer erschütternden Erfahrung im Körper gespeichert ist, und auch dann noch "Gefahr“ signalisiert, wenn die eigentliche, reale Gefahr längst vergangen ist. Gabriele Kahn stellt hier ein Konzept vor, dass nicht nur darauf verzichtet, sondern einen deutlichen, positiven Kontrapunkt dazu setzt.

Die oben genannte These klingt in meinen Ohren so, als sei es das Patentrezept, einem Überlebenden eines Erdbebens, der eh nur mit letzter Kraft eine Katastrophe überstanden hat (und das ist eine Traumatisierung – egal ob durch körperliche, seelische oder sexualisierte Gewalt erfahren – für die Betroffenen!) zuzumuten, nun auch noch sein zerstörtes Haus Schüppe für Schüppe zu entsorgen: Immer den Ort des schrecklichen Geschehens vor Augen. Mag es auch zynisch klingen: Ich wünsche den Vertretern dieser und ähnlichen Anschauungen nur einmal – sagen wir 5 Minuten – des Erlebens dieses Schreckens, dieser Ohnmacht, der als völlig real erlebten Todesangst und intensiven, beinahe unaushaltbaren seelischen Schmerzes, damit sie vielleicht von solcherlei Unsinn kuriert würden, und sich auf die Suche nach weniger belastenden therapeuthischen Interventionen machen würden!

Leider wird die oben kritisierte Lehrmeinung nach wie vor in Ausbildung und im Studium verbreitet, sodass ständig ein "Nachschub“ an derartig geprägten Psychologen und anderen Therapeuten auf den Markt drängt – einen Markt, der aufgrund der verbreiteten Kälte in unserer Gesellschaft und besonders den Schwächsten und Kleinsten gegenüber – den Kindern sowie anderen gesellschaftlichen Entwicklungen (befristete Arbeitsverhältnisse, steigender Arbeitsdruck, etc.) – unaufhörlich wächst: Die Wartezeiten auf Therapieplätze sprechen da eine deutliche Sprache!

Obwohl Pioniere wie Alice Miller, Jochen Peichl, Michaela Huber, Jay Earley, Bessel van der Kolk, die Vertreter von EMDR und EFT in all ihren Variationen, Susan Forward, Ero Langlotz, in gewisser Weise auch die jüngsten Entwicklungen von Franz Ruppert und eben auch Gabriele Kahn eine Bresche in diesen Trend geschlagen haben, ist die Gefahr, an einer der "klassischen Vertreter“ zu gelangen immer noch hoch – sowohl bei ambulanten wie stationären Maßnahmen.

Richtig schlimm wird es, wenn man es mit (oft sehr geschickt sich selbst vermarktenden) Vertretern der verschwurbelten Esoterik-Psychologie zu tun bekommt, dann bekommt man u. a. folgende "Weisheiten“ präsentiert:

  • Gefühle kommen einfach von irgendwoher;
  • Gefühle sind vom Opfer selbst verursacht (im Sinne einer Schuldzuweisung) wie Betz & Co.;
  • man müsse sich den Täter(Eltern) unterwerfen (Hellinger & Co.)oder…
  • eine Heilung oder Erlösung sei nur durch Vergeben oder das vertrauen auf Gott möglich,
  • etc.

Gabriele Kahn bietet hier als Strategie genau das an, was sich natürlicherweise entwickelt, wenn die Beziehung von Kindern zu Eltern (und insbesondere Müttern) gelungen ist: Ein inneres Bild einer (relativ) sicheren, verlässlichen Welt – kurz: Urvertrauen. Wird dieses Bild gestört, stellen sich die bekannten Symptome von A wie Agoraphobie über D wie Depression, P wie Panikattacken bis zu Z wie Zwangshandlungen ein, die die klassische Psychologie wie Psychiatrie mit allerlei Mittelchen zu behandeln sucht, was oft eher wie das Kinderspiel "Topfschlagen“ anmutet, macht man denn den Patienten zu einer Art Versuchskaninchen bei der Abwägung zwischen lindernden und schädigenden Wirkungen – ohne jedoch zu fragen: Wo kommt die Angst her, die einen immer wieder überfällt, obwohl im Außen nichts beängstigendes wahrzunehmen ist (was den/die Betroffenen zusätzlich verwirrt). Wie Alice Miller schon geschrieben hat: "So lässt man sich jahrelang mit Medikamenten behandeln, aber niemand (weder die Leidende noch der Arzt) stellt sich die Frage: Wo ist die Gefahr, die der Körper nicht aufhört zu signalisieren? Die Gefahr verbirgt sich in der Geschichte der Kindheit, aber alle Türen, die uns diese Perspektive eröffnen könnten, scheinen hermetisch verschlossen zu sein. Niemand versucht, sie zu öffnen, im Gegenteil, wir unternehmen alles, um uns nicht unserer Geschichte stellen zu müssen mit ihrem unerträglichen Schrecken, der uns so lange Zeit begleitet hat. Weil es sich um die verwundbarsten und ohnmächtigsten Jahre unseres Lebens handelt, will man nie mehr daran denken. Man will diese Ohnmacht nicht fühlen, und auf keinen Fall wollen wir uns an die Atmosphäre erinnern, die uns umgab, als wir klein waren und machtgierigen Menschen ausgeliefert.“

Ggf. kombiniert mit anderen Strategien der Traumabehandlung (EMDR, EFT, Schmetterlingsumarmung, etc.) ist der Ansatz von Kahn vielleicht der schonendste wie am Ende auch der effektivste, wie die zitierten Fallvignetten beeindruckend zeigen (siehe auch im Exzerpt: https://gkahn-traumatherapie.de/wp-content/uploads/2018/03/das_innere-kinder-retten-1.pdf).

Produktinformationen

Taschenbuch: 210 Seiten

Verlag: Psychosozial-Verlag; Auflage: 1 (1. November 2010)

Sprache: Deutsch

ISBN-10: 3837920852

ISBN-13: 978-3837920857

Format: 14,9 x 2 x 21,1 cm

Preis: 22,90 €

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Rezension: Dein gerettetes Leben / Wege zur Befreiung (Alice Miller)

Pflichtlektüre spätestens zur Pubertät

Wir alle kommen irgendwie und irgendwo auf diese Welt – die eine in Bangladesh in einem Slum, der andere als Sohn einer Milliardärsfamilie – beides hat seine Licht- und Schattenseiten, und das mag eine Fügung eines nicht konkret greifbaren „Schicksals“ zu sein. Aber wir alle erhalten im Laufe unserer Kindheit und Jugend Prägungen – zuallererst durch unsere Eltern oder die Menschen, in deren unmittelbaren Umgebung wir aufwachsen. Später kommen Lehrer hinzu, andere Personen, die entscheidenden Einfluss auf uns nehmen – zunächst ohne das wir in der Lage wären, per kritischem Verstand zu filtern, was von diesen Impulsen wirklich lebensdienlich, was vielleicht religiös oder politisch dogmatisch oder jeweils kulturspezifisch einengend, beschränkend ist.Die ersten Jahre – und ganz besonders die allerersten – formen unsere Persönlichkeit. Da werden ganze „Autobahnen an Überzeugungen, Gewohnheiten, Fremdwerten, etc.“ in unser System gelöffelt – neben dem Brei und später der festen Nahrung, die wir hoffentlich auch in ausreichender Menge bekommen.

Doch nicht alle diese Überzeugungen sind lebensdienlich, da häuft sich allerhand an, was der Verwirklichung unseres eigenen Potentials eher im Wege steht, und mit mehr oder weniger psychischer oder auch körperlicher Gewalt anerzogen wird.

Auch in unserer heutigen, scheinbar aufgeklärten Zeit ist es immer noch üblich, nicht etwa ein neu auf die Welt kommendes Kleinkind staunend zu begrüßen, und nun zu schauen, was sich denn da verwirklichen will, um es zu schützen und mit einem Mindestmaß an Überlebensregeln dabei zu begleiten, dieses Potential zu entfalten. Stattdessen ist richtig oder falsch, was unsere Eltern und Bezugspersonen dafür halten: Rotgefärbte Haare sind „falsch“, eine bestimmte politische oder relogiöse Gesinnung – und sei sie noch so absurd – ist „richtig“, „so und so verhält man sich gegenüber Eltern und Erwachsenen“, „Du sollst dich nicht wehren!“, „Man spricht nicht bei Tisch!“ und du sollst Vater und Mutter ehren – egal, was sie vielleicht an Destruktivem anrichten – meist aus der eigenen, unreflektierten Historie heraus („Mir haben die Schläge damals auch gut getan!“).

Angesichts dieser Last an gewaltvoll anerzogenen Fremdwerten verbiegen sich Biographien von gesunden zu kranken Lebensläufen, halten sich lebensfeindliche Prägungen oft über Jahrzehnte, und frühe oder dauerhafte Kränkungen führen zu jahrelangem Leiden, das sich dann seelisch als Destruktiv-Angst, Depression & Co. oder eben in Form körperlicher Symptome zeigt, die von der Schulmedizin immer noch so mechanistisch „behandelt“ werden, als sei der Mensch eine Art komplizierte Maschine, wo es eben mal etwas auszuwechseln oder zu reparieren gäbe.

In diesem Sinne schreibt Alice Miller hier ein Werk, dass gerade jungen Erwachsenen von besonderem Wert sein könnte, bekämen sie es in einer Zeit in die Hand, in der eine gesunde Ablösung vom Elternhaus gelingt oder misslingt. Wo die Lebensaufgabe darin besteht, Fremdes von Eigenem unterscheiden zu lernen, und die Lebensnavigation noch einmal neu zu trimmen: Ist das religiöse Konzept, dass man mir vermittelt hat, wirklich mit meinen eigenen Werten im Einklang? Wie sieht es mit den politischen Konzepten aus, der Art und Weise, mit anderen Menschen umzugehen? Was hier abstrakt klingen mag, hat direkte und konkrete Auswirkungen auf das Alltagsleben. Ist Selbstbefriedigung „böse“? Darf ich offen sagen, was ich denke, auch wenn es „Autoritäten“ nicht gefällt? Wie verhalte ich mich in Konfliktsituationen – inneren wie äußeren: Passe ich mich unterwürfig an, weil mir die Angst vor strafenden oder liebesentziehenden Eltern noch in den Knochen sitzt, oder wage ich es, meinen Weg zu gehen? Wiederhole ich das, was mir als Kind angetan wurde an meinen eigenen Kindern, ja, kriege ich es bei nahezu völlig zerstörtem Selbstwertgefühl überhaupt hin, gesunde, gleichwürdige Beziehungen aufzubauen?

Wer neugierig ist, wie dieser „Reinigungsprozess von übernommenen Fremdwerten“ vonstatten gehen kann und wie man sich – entweder in der stillen Selbstreflexion, mithilfe des Aufschreibens eigener Erkenntnisse oder auch mit einem Partner, der nicht zwingend Therapieprofi sein muss, von fremden Anteilen, die eigene Potentiale begrenzen, befreien kann, dem sei dieses Werk ans Herz gelegt.

Risiken und Nebenwirkungen: Es kann sein, dass während dieses Prozesses oder nach dem Abschluß von Teilschritten sich erhebliche Veränderungen ergeben: Veränderte Beziehungen zu Bezugspersonen, Veränderungen bei der beruflichen Orientierung bis hin zur Partnerschaft. Veränderungen, die nicht jedem gefallen werden, die jedoch sehr klar zeigen werden, wer Ihnen wirklich zugewandt ist, und wer nicht. Wer vielleicht durch emotionale Erpressung oder andere Formen der Gewalt versucht, Ihre eigene Form zu verbiegen – und dann ist es ratsam, zugunsten seelischer und körperlicher Gesundheit, siene Beziehungen neu zu ordnen, Schädliches zu trennen, und neue Wege zu gehen – die Alternative lautet: Angst & Depression (falls man es nicht noch weiter treibt und schließlich bei noch schmerzhafteren Formen seelischer und körperlicher Erkrankung landet).

In diesem Sinne: Lesen, Orientieren und: Anpacken: Das vielleicht bedeutendste Projekt Ihres Lebens: Ihr gerettetes Leben!

 


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Rezension: Tausend und eine Macht – Marketing und moderne Hirnforschung (Werner T. Fuchs)

Habe den Mut…

dich deines eigenen Verstandes zu bedienen. oder: Auch wenn derzeit die ungeheuerlichen Schlussfolgerungen der Hirnforschung "trendy“ sind, so darf ich mir kraft meines Verstandes selbst ein Urteil bilden.

Als Konsequenz "moderner Erkenntnisse“ der Hirnforschung fließen deren Produkt(e) in andere Lebensbereiche, hier ins Marketing ein. Deren Vertreter – wie Werner T. Fuchs – bedienen sich eines respektlosen Absolutheitsanspruchs, der mir geradezu wehtut. Wie bei anderen "Trends“ ("Clienting“, NLP, etc.), die sich bei Nahsicht als alter Wein in neuen Schläuchen, geschickt etikettierte Sammlung von Binsenweisheiten oder als (manipulativ) ausgeformtes, an sich durchaus intelligentes Kommunikationsmodell entpuppen, liegt auch hier ein diffus strukturierter „Ratgeber“ vor, der eher geeignet ist, Verwirrung als Erkenntnis zu mehren.

Die im Vorwort a la Anleitung "Philosophie – leicht verständlich erklärt“ (…) "Wer bin ich? Wer ist der andere? Weil es in "1001 Macht“ um diese Fragen geht…‘ genährte Hoffnung wird enttäuscht. Gleich darauf fällt der erste Widerspruch der zugrundeliegenden Theorie, die per se einen freien Willen sowie Ideen wie Vernunft, etc. anzweifelt, bestechend auf: Wie soll ich als Leser, wenn "alles limbisch“ ist, der Aufforderung folgen und mein Verhalten ändern? Oder bin ich gar nicht ganz normal? Ist das bei mir ausgelöste Gefühl heftigen Widerspruchs (zu dessen Hintergrund ich gerade eine muntere Fachdiskussion mit Nida-Rümelin, Prinz, Roth, etc. führe …) etwa auf mein falsch verschaltetes neuronales Netz zurückzuführen oder "schlechte Gene“?

Heutzutage modern und oft praktiziert werden bei der ausschnittsweise vorgetragenen Argumentation für die o. a. These bewusst ins extreme übersteigerte, von niemandem Vernünftigen geäußerter Grundgedanken ("Der Mensch trifft seine Entscheidungen ausschließlich rational…“) angegriffen. Ist das so wirklich neu, dass ein Gedanke, in diesem Themenzusammenhang ein Marketinggedanke, auch innere Bilder und Gefühle auslöst? Wer behauptet, wir träfen unsere Entscheidungen ausschließlich rational? Mit einer gewissen geistigen Reife sowie der Fähigkeit und Bereitschaft zum ehrlichen Nachdenken über sich selbst, kann ich mir durchaus bewußt machen, dass ich den "dicken“ Wagen nicht (nur) wegen seiner passiven Sicherheit, sondern auch deswegen kaufe, weil Herr Nachbar gelb vor Neid hinter der Gardine zuschaut… ‚ um, abzuwägen, ob mich das wirklich weiterbringt – oder?

Der Nutzen als Gegenwert für 29,80 € fällt gering aus: Die skizzierten Instrumente sind zum guten Teil in seriösen Analysen enthalten (z. Bsp: erweiterter, simulierter oder tatsächlich durchgeführter Augenkameratest nach Vögele), die Darstellung ist unzusammenhängend, hingeworfene Schlagwörter zerreißen den Text.

Und dann wird unter dem Schlagwort "Vereinfachung, Das Einfache in Aktion“ George W. Bush angeführt ("Wenn das Komplexe schon nicht steuerbar ist, dann braucht es einen Bush zur Beruhigung. Das Einfache will einfache Sprecher, wenig Text, starke Bilder auf Flugzeugträgern und altmodische Kulissen“). Ohne auf Marketing-Ethik einzugehen (auch der amerikanische Präsident hat ja versucht, der(Welt-)Öffentlichkeit etwas zu verkaufen – die Folgen kennen wir ja …) – so viele für einen hellen Denker leicht erkennbare, falsche Grundaussagen und die abgeleiteten Schlüsse tun weh!

Fazit: Auch wenn mir als Referenzen herangezogene "anerkannte Psychologen und Hirnforscher“ Fachleute attestieren, ich sei nicht bei "Verstand“, oder dieser sei ja sowieso eine "Illusion“ – ich bilde mir kraft dieser "Illusion“ meine Meinung – was denn sonst!

Diese Kritik kann nicht als persönlich missverstanden werden, lebte der Autor nach seinem eigenen Weltbild, so wäre sein limbisches System auch für dieses Werk verantwortlich. Die sympathisch-offene private Schicksaldarstellung mildert das nicht ab, sie muss getrennt vom Werk betrachtet werden. Auf das Buch, dass aus diesen Ansätzen entstehen könnte – Erkenntnisse über das Leben mit einem behinderten Kind, das Loslassen-Können aus Sicht eines Betroffenen, darauf freue ich mich schon.

Nachtrag

Nachdem diese Rezension auf AMAZON®

veröffentlicht wurde (siehe hier), meldete sich der Autor persönlich/telefonisch bei mir um mich dazu zu bewegen, diesen zu korrigieren. Ich konnte ihm dieses nicht zusagen, verfasse ich doch Rezensionen nicht im Überschwang irgendwelcher überschäumender Gefühle, sondern nach mehrmaligem Durcharbeiten der Lektüre. Immerhin habe ich ihm zugesagt, das Werk nochmals durchzuarbeiten, und dann ggf. meine Ansicht und die Rezension zu revidieren. Leider ergab jedoch die nochmalige Durchsicht eher eine Bestätigung meiner Ansicht denn eine Korrektur. Ich habe mehreren Bekannten zusätzlich folgende Testfrage gestellt: "Nehmen wir einmal an, Sie hätten gerade irgendeine Kaufentscheidung getroffen, beispielsweise die Entscheidung für eine Versicherung, eine neue Einbauküche oder dergleichen, und Sie würden dann beobachten, wie der Verkäufer oder die Beraterin freudestrahlend Ihr Haus verlässt, und beim herausgehen ebendieses Buch mit der Bemerkung "Klasse Anleitung, es wirkt: Jetzt brauche ich das nicht mehr!“ in Ihren Mülleimer wirft, und Sie würden – natürlich neugierig geworden, es wieder herausfischen und dann dort drin die Anleitung lesen, wie man Sie gerade "limbisch manipuliert“ zu einem intelligenz- und kritiklosen Konsumenten hypnotisiert hat – wären Sie sich mit der Kaufentscheidung immer noch so sicher, wie vorher? Wäre da immer noch das "gute Gefühl, einen guten Kauf gemacht zu haben“ präsent? Oder würden Sie spontan nach der Telefonnummer der Firma suchen und umgehend die Stornierung veranlassen? 100% der Befragten würden natürlich sofort kündigen – gesundem Menschenverstand sei Dank!